III.II Das Verschwinden des Bildnisses
Im Jahr 1929, drei Jahre nach dem Tod Eduard Rosenthals beauftragte das Rektorat den Berliner Maler und Professor der Preußischen Akademie der Künste Raffael Schuster-Woldan (1879−1951) damit, den geschätzten Kollegen posthum zu porträtieren. Schuster-Woldan kannte die Rosenthals, hatte er doch bereits im Jahr 1896 ein großformatiges Ganzfigurenporträt Clara Rosenthals geschaffen. Nach eigenen Worten war es ihm eine so große Ehre, Eduard Rosenthals Bildnis anfertigen zu dürfen, dass er sogar auf ein Honorar verzichtete. Als es in die Sammlung aufgenommen wurde, titelte die Jenaische Zeitung am 7. März 1930: Wieder ist die Universität Jena um ein Kunstwerk reicher geworden: der bekannte Maler Professor Schuster-Woldan in Berlin hat der Universität ein Porträt des Professors Dr. Eduard Rosenthal schenkungsweise überwiesen, das seinen Platz im Rektorenzimmer der Universität gefunden hat.
Das Porträt Rosenthals war Teil der Universitätssammlung von Bildnissen ihrer wichtigsten Gelehrten und wurde im Fakultätszimmer ausgestellt. Doch dort sollte es nicht lange bleiben: Am 12. Juli 1934 verfügten die Nationalsozialisten, Gegenstände des sogenannten November-Systems – gemeint war die Weimarer Republik – zu vernichten. Daraufhin fragte der damalige Rektor Abraham Esau beim Volksbildungsministerium an, ob auch das Bildnis Rosenthals darunterfalle, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Rosenthal Jude war, der Deutschen Demokratischen Partei angehörte und nach der Revolution 1918 die Landesverfassung entworfen hatte. Das Ministerium wies ihn an, das Bildnis »in die Verwahrung der Universitäts-Bibliothek zu geben«.
Zehn Jahre später, im Jahre 1944, bat der Maler Schuster-Woldan, der sich inzwischen großer Beliebtheit bei den Nationalsozialisten erfreute, die Universität um Rückgabe des Rahmens, um diesen für ein anderes Bild zu verwenden. Daraufhin entschied der nun amtierende Rektor Karl Astel, »den Rahmen ohne Bild« zurückzugeben. Er fügte hinzu: Das Bild selbst möchte ich als eines der Dokumente dafür behalten, dass auch der Lehrkörper der Universität Jena sich jüdische Rektoren hat gefallen lassen, und Professor Rosenthal ist nur einer von drei Juden, die einmal Rektor der Universität waren. Das rahmenlose Bild wurde schließlich in einem Depotraum verwahrt. Am 26. Februar 1948 wurde ein Rosenthal-Bildnis gemeinsam mit anderen auf dem Dachboden der zerbombten Universitätsbibliothek gefunden. Ob es sich dabei tatsächlich um das Gemälde oder um eine noch heute in der Kustodie der Universität verwahrte Porträtzeichnung Rosenthals von Georg Sauter handelt, geht aus der Akte nicht hervor. Was mit seinem gemalten Bildnis geschah, bleibt jedoch unklar. In den Inventaren der Sammlung ist es nicht mehr gelistet.
Georg Sauter, Porträt Eduard Rosenthal, Kohlezeichnung, vermutlich 1923. ©FSU Jena, Kustodie
Dieser Text basiert auf dem Aufsatz von Andrea Karle und Verena Krieger im Katalog »Erkundungsbohrungen. Ein dezentrales Denkmal für Eduard Rosenthal«, Weimar 2020.
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